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Berlin: Ex-Junkie kritisiert Drogenpolitik – „So kann das nichts werden“

In Berlin ist man überall von Drogen umgeben. Viele rutschen deshalb ab. Doch die Politik hilft nicht beim Ausstieg, sie stellt Hürden!

Berlin
© IMAGO/Pond5 Images

Das neue Cannabisgesetz: das musst du wissen

Das ist das Gesetz zum kontrollierten Umgang mit Cannabis beschlossen.

Die Berlinerin Anette Hofmann hat schon früh Erfahrungen mit Drogen gemacht. Los ging das in der Jugend mit Alkohol. Später griff sie zu Cannabis, Tabletten und schlussendlich zu Heroin und Koks.

Die 58-Jährige wurde zwar immer wieder clean, doch der Rückfall hat nie lange auf sich warten lassen. Im Gespräch mit BERLIN LIVE erklärt sie, wie hart der Weg aus der Sucht war – und welche Rolle die harte Drogenpolitik in Deutschland dabei gespielt hat.

Berlin: Ex-Süchtige versuchte mehrmals den Ausstieg

Bereits in ihren Zwanzigern hatte Anette Hofmann genug von den Drogen. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie schon einen Entzug auf eigene Faust hinter sich, doch dieser blieb nur kurzfristig erfolgreich. Um nun endlich clean zu werden, ging sie in eine offizielle Entzugseinrichtung in Friedrichshain. Traditionell schließt sich daran eine stationäre Therapie an, um die Ursachen der Sucht aufzuarbeiten.

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Doch wie so viele musste Hofmann auf ihren Platz lange warten. Entrüstet sagt sie: „Das ist wahnsinnig. Wenn du aus der Entgiftung raus bist und die Therapie fängt erst in einem Monat an; was machst du denn dann? Wenn du richtig drauf bist, wirst du in der Zeit wieder rückfällig!“

Aber Hofmann war entschlossen, ging täglich zu den Anonymen Süchtigen. „Ich bin vom einen in das andere Meeting gerannt. Das hat mir damals wirklich den Arsch gerettet.“

Gesetze erschweren Weg aus der Sucht

Die stationäre Therapie folgte. Es war für Hofmann „die schönste Zeit ihres Lebens.“ Um den Erfolg nicht zunichtezumachen, machte die Berlinerin anschließend eine ambulante Therapie in Neukölln.

Aber auch hier irgendwann: der Rückfall. Zwar diesmal lediglich mit Partydrogen wie Koks und Ecstasy, doch durch mehrere Überdosen nicht weniger gefährlich. Ihr wurde klar, dass nur noch eine Aufarbeitung der tief liegenden Gründe helfen würde, also eine ambulante Traumatherapie.

„Ich bin hier in Berlin von Pontius zu Pilatus gelaufen. Aber ich war immer zu ehrlich. Wenn mich die Therapeutin gefragt hat, ob ich denn jetzt clean sei, dann habe ich Depp natürlich gesagt: ‚Ne, ab und zu nehme ich noch ein bisschen Kokain.'“ Und genau deshalb wurde ihr die Therapie verwehrt. Erst wer in Deutschland einen dreimonatigen Clean-Nachweis bringt, hat Anspruch auf einen Platz, der von der Krankenkasse übernommen wird.

Berlin: „Das war eine Odyssee“

Für Anette Hofmann und viele andere Süchtige ohne fremde Hilfe kaum machbar. Also machte sie auf eigene Rechnung eine weitere, stationäre Therapie. Am Ende dann die ersehnte Bescheinigung vom Arzt.

Doch erst nach insgesamt zwei Jahren der Suche fand sie eine Therapeutin. „Das war eine Odyssee.“

Forderungen an die Politik

Heute arbeitet Anette Hofmann selbst als akzeptierende Sucht- und Traumatherapeutin. „Akzeptierend“ heißt in diesem Fall, dass sie auch Menschen behandelt, die noch Drogen konsumieren.

Berlin
Anette Hofmann lebt und arbeitet in Berlin-Tempelhof. Credit: BERLIN LIVE/Anouschka Hamp

Für sie macht es keinen Unterschied, „ob jemand ab und zu mal etwas nimmt. Viel wichtiger ist da die Fähigkeit zur Selbstreflexion und wie sehr ich mit mir verbunden bin.“

Für die Zukunft wünscht sie sich, dass endlich der Zusammenhang zwischen Trauma und Sucht gesehen wird. „Es ist das alte Probleme von Henne und Ei. Ich kann von einem Süchtigen nicht erwarten, seine Überlebensstrategie fallen zu lassen, und ihm dafür aber nichts anderes anbieten.“ Denn eine Sucht geht meist auf ein oder mehrere Traumata zurück. Den aktuellen Ansatz der Politik lehnt sie ab. „So kann das nichts werden!“


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Viel sinnvoller wäre aus Hofmanns Sicht dagegen der Ausbau der kassenärztlichen Therapieplätze – und das auch für Therapeuten, die wie sie über den zweiten Bildungsweg zum Beruf gefunden haben. Gleichzeitig sollten Konsumenten nicht „als dumm abgestempelt werden.“ Solange sie am Tag der Therapie nüchtern sind, kann das schon viel bewirken.