Die Zahl der Kirchenmitglieder sinkt seit Jahren in Deutschland. In Berlin ist das nicht anders. Doch das ist nicht der Grund, warum die Martin-Luther-Gedächtniskirche in Mariendorf (Bezirk Tempelhof-Schöneberg) derzeit nicht für Gottesdienste zur Verfügung steht.
Die Evangelische Kirche hat das Gotteshaus in der Riegerzeile nämlich auf Eis gelegt. Der Grund sind zahlreiche Verzierungen, die nicht nur Jesus Christus, Gott und Gottesmutter Maria huldigen – sondern auch ganz unverhohlen den Nazis. Eifrig sucht die Kirche nach einer Lösung.
Berlin: Kirche mit Nazi-Symbolik
Der Grundstein für die Martin-Luther-Gedächtniskirche wurde im Jahr 1933 gelegt. Bei der Einweihung zwei Jahre später wurden nicht nur christliche Choräle, sondern auch Nazi-Liedgut gesungen. Und auch architektonisch handelt es sich um ein „hochgradig NS-belastetes Gesamtkunstwerk“, wie Kunsthistorikerin Beate Rossie in ihrem Buch „Kirchenbau in Berlin 1933 – 1945“, aus dem der „Tagesspiegel“ zitiert, schreibt.
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In die eigentliche christliche Symbolwelt haben sich Abbildungen aus den nationalsozialistischen Alltag geschlichen. So finden sich auf der hölzernen Kanzel, die eigentlich das Motiv der Bergpredigt zeigt, auch Darstellungen eines Wehrmachtssoldaten, einer „deutschen Mutter“, sowie eines SA-Mannes, der laut Rossie Horst Wessel darstellen soll. Auch am Taufbecken ist ein SA-Mann zu erkennen.
Ebenfalls auffällig: Ein Leuchter in der Berliner Kirche hat die Form eines eisernen Kreuzes. Zudem ist der Christus am Kreuz keineswegs in leidender, sondern in heroischer Pose mit muskulösem Oberkörper dargestellt. Die Orgel der Kirche wurde vor ihrem Einbau in die Kirche auf dem Reichsparteitag 1935 verwendet. Auch der Reichsadler findet sich immer wieder. Dazu das Gesicht von Reichspräsident Paul von Hindenburg, einem der entscheidenden Steigbügelhalter des Nazi-Regimes.
Hakenkreuze entfernt, alles andere ist noch da
All dies ist in der Martin-Luther-Gedächtniskirche noch zu sehen. Anders als Hakenkreuze, die nach dem Krieg entfernt wurden. Bei der evangelischen Landeskirche sucht man derzeit nach einem neuen Umgang mit der Nazi-Kirche.
In den vergangenen Jahren wurde die Kirche hauptsächlich für Großgottesdienste genutzt. Man hatte ein für Versöhnung stehendes Nagelkreuz aufgestellt und weiter Veranstaltungen abgehalten. Nachdem sich die Landeskirche aber im Jahr 2022 ein neues Kirchengesetz verpasst hat, in dem der Umgang mit „judenfeindlichem, rassistischem und nationalsozialistischem Gedankengut“ größere Aufmerksamkeit bekommt, hat offenbar ein Umdenken stattgefunden.
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Wie der „Tagesspiegel“ berichtet, hat seit dem Frühjahr kein Gottesdienst mehr hier stattgefunden. In einem Gemeindebrief aus dem Herbst hieß es, dass die Kirche nicht mehr zur Verfügung stehe. Das gilt offenbar bis ins nächste Jahr hinein. Aktuell befindet sich die Kirche in einem Mediationsprozess. Im kommenden Jahr soll ein Ergebnis vorliegen.