Seit Dienstag (9. September) haben im Berliner Südosten mehrere zehntausend Haushalte keinen Strom mehr. Das betrifft Pflegeeinrichtungen und mit ihnen Menschen, die auf Sauerstoff angewiesen sind, aber auch den ÖPNV, der aktuell in dem Teil der Stadt nur eingeschränkt fahren kann, und natürlich auch normale Familien, die jetzt auf Kerzen angewiesen sind und nicht kochen können.
Der Ausfall geht auf einen mutmaßlichen Brandanschlag auf zwei Strommasten zurück – und zeigt eindrücklich, wie anfällig die Kritische Infrastruktur für Attacken dieser Art ist. Unsere Redaktion hat darüber mit Benjamin Jendro, dem Sprecher der Gewerkschaft der Polizei in Berlin, gesprochen.
Berlin: „Es ist utopisch weitere Anschläge flächendeckend zu verhindern“
BERLIN LIVE: Welche Folgen kann ein so massiver Stromausfall zum Beispiel für den Notruf aber auch für Krankenhäuser und andere Pflegeeinrichtungen haben?
Benjamin Jendro: Im konkreten Fall ist das noch nicht abzuschätzen, weil sich die Auswirkungen hinziehen können. Insbesondere Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen sind aber Institutionen, die zur Aufrechterhaltung der Gesundheit von Menschen auf eine dauerhafte Energieversorgung angewiesen sind. Deshalb kam es gestern auch bereits zu Verlegungen. Natürlich gibt es für die Überbrückung Notstromaggregate, aber eben nicht überall. Insofern ist dieses krude Weltuntergangs-Pamphlet auf Indymedia, selbst wenn es Teil einer False-Flag-Aktion ist, ein scheinheiliger Versuch, zu legitimieren, dass man mit dieser Wahnsinnstat Menschenleben gefährdet.
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Wie sollte man in Berlin nun reagieren, um mögliche Trittbrettfahrer zu verhindern? Schließlich sehen mögliche Angreifer nun, wie einfach es gehen kann.
Wir müssen zunächst festhalten, dass Sie einen Endmasten nicht mit einer weggeworfenen Kippe in Brand setzen können. Das erfordert, und das konnte man gestern beobachten, einen logistischen Aufwand und große kriminelle Energie. Natürlich werden die ermittelnden Kollegen alles tun, um die Verantwortlichen zu überführen und selbstverständlich wurde die Polizeipräsenz erhöht. Es ist jedoch utopisch, in einer fast vier-Millionen-Einwohner-Stadt mit derart vielen Angriffszielen Trittbrettfahrer und weitere Anschläge flächendeckend zu verhindern.
Diese Maßnahmen könnten zukünftig helfen
Wieso wurden in der Vergangenheit so wenige Maßnahmen in Berlin getroffen, um die Kritische Infrastruktur besser zu schützen?
Das ist die zentrale Frage, die sich Berlins Politik jetzt stellen muss. Nach dem Stromausfall 2019 wurde mitunter gut analysiert und viel angekündigt. Das liegt sechs Jahre zurück – passiert ist aber nichts und das, obwohl wir eine veränderte globale Lage und andere Bedrohungsszenarien haben und längst jeder wissen muss, dass eines der wirksamsten Mittel, um einen Staat zu destabilisieren, ein Angriff auf die Energie- bzw. Stromversorgung ist.
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Was braucht es, damit sie in Berlin zukünftig besser geschützt werden kann?
Zunächst brauchen wir erstmal eine Politik, die den Zustand unserer Kritischen Infrastruktur sachlich erkennt und bereit ist, im Sinne der Bürgerinnen und Bürger zu investieren. Wenn diese Voraussetzung besteht, brauchen wir Finanzmittel für Redundanzen, Notfallebenen, wenn unsere vielfach eingesetzten Monopollösungen bei Strom, Mobilfunk und so weiter wegbrechen. Wir brauchen Investitionen in die Digitalisierung zur Vernetzung der Institutionen und bessere Schutzmechanismen für angreifbare Infrastruktur. Absperrungen und Videoüberwachung bei Strommasten zum Beispiel.
Die Liste der Maßnahmen scheint also noch lang zu sein – und es gibt viel zu tun. Vielen Dank für das Interview, Herr Jendro.

