Auf diesen Prozess am Berliner Landgericht waren viele Augen gerichtet. Der pensionierte Hausarzt Christoph Turowski (74) hatte eine junge Frau in den Tod begleitet, so wie er es schon viele Male in seinem Leben getan hatte.
Doch diesmal war etwas anders. Die junge Frau, die mit dem Wunsch an ihn herantrat, sterben zu wollen, litt an einer Depression. War der Todeswunsch also nicht Ausdruck ihres freien Willens, sondern ihrer Krankheit? Nun ist in Berlin ein Urteil gefallen.
Berlin: Urteil gegen Mediziner gefallen
Schon vor dem Beginn des Prozesses schätzten Experten und Beobachter diesen Fall als wegweisend für ähnlich gelagerte Fälle ein. Schließlich ist das Thema Sterbehilfe in Deutschland noch nicht weit verbreitet. Das Thema nahm an Fahrt auf, als der Bundesgerichtshof (BGH) mehrere Freisprüche für Menschen bestätigte, die anderen beim Weg in den Suizid halfen. Sie entschieden, dass der Patientenwille zu achten sei – auch der nach einem Sterbewunsch.
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Auch der Berliner Arzt ist im Jahr 2018 bereits einmal freigesprochen worden. Diesmal allerdings nicht. Am Montag (8. April) verurteilte ihn das Berliner Landgericht in dem viel beachteten Sterbehilfe-Fall zu einer Haftstrafe von drei Jahren. Richter Mark Sautter sprach den 74-Jährigen des Totschlags schuldig.
Der Mediziner hatte eine angehende Veterinärmedizinerin (37) zweimal dabei unterstützt, ihrem Todeswunsch nachzugehen. Anfang Juli 2021 hatte sie Kontakt zu Turowski aufgenommen. Zwei Wochen später stellte der Mediziner ihr die tödlich wirkenden Tabletten zur Verfügung, die sie jedoch erbrach. Am 12. Juli 2021 legte der Arzt dann der 37-Jährigen in einem Hotelzimmer eine Infusion mit einem tödlich wirkenden Medikament. Diese hat die Frau laut Urteil selbst in Gang gebracht – und starb wenig später.
Arzt strebte Freispruch an
Während die Staatsanwaltschaft eine Haftstrafe von drei Jahren und neun Monaten forderte, wollte die Verteidigung einen Freispruch für ihren Mandanten erwirken. Der Mediziner erklärte vor Gericht er habe zu keinem Zeitpunkt an der „Urteils- und Entscheidungsfreiheit“ der Frau gezweifelt. Stattdessen habe er „große seelische Not und Entschlossenheit“ gesehen, notfalls einen Gewaltsuizid zu begehen.
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Richter Sautter folgte den Einlassungen des Angeklagten nicht. Er befand, Turowski habe „die Grenzen des Zulässigen überschritten“. Die junge Frau sei wegen ihrer Erkrankung nicht zu einer freien Willensbildung in der Lage gewesen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Der Mediziner hatte bereits zu Prozessbeginn angekündigt, im Falle einer Verurteilung Rechtsmittel einlegen zu wollen. Welche Signalwirkung dieser Fall hat, dürfte wohl erst nach weiteren Instanzen geklärt sein. (mit dpa)