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Europawahl: Gregor Gysi über Erfolg der Wagenknecht-Partei -„Funktioniert auf Dauer nicht“

Zur Europawahl 2024 sprach unsere Redaktion mit Gregor Gysi in Hannover. Er gab uns eine Einschätzung, wie lange sich das BSW halten könne.

Gregor Gysi teilt gegen BSW-Chefin Sahra Wageknecht aus.
u00a9 IMAGO / CommonLens

Scholz schließt Kooperation mit Wagenknecht-Partei aus

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sieht keinerlei Grundlage für eine Zusammenarbeit seiner SPD mit dem neuen Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW). "Nein, das übersteigt meine Fantasie", sagte der Kanzler der "Märkischen Allgemeinen Zeitung".

Am 9. Juni findet die Europawahl 2024 statt. Dieses Mal steht mit dem frisch gegründeten Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) ein Neuling auf dem Stimmzettel. In den Umfragen steht Wagenknecht mit der BSW weit vor ihrer ehemaligen Heimatpartei DIE LINKE.

Muss sich die Linkspartei zur Europawahl nun Sorgen machen? Darüber sprach unsere Redaktion mit Gregor Gysi. Der Linke-Politiker gab uns seine Einschätzung, ob sich das BSW lange halten könne oder nicht.

++ Zum ersten Teil des Interviews: Gregor Gysi über Rechtsruck zur Europawahl – „Viele wählen AfD, um uns andere zu treffen“ ++

Gregor Gysi über Wagenknecht-Partei

Herr Gysi, unterschätzen die Deutschen das Europäische Parlament noch? Vieles, was im Bundestag beschlossen wird, kommt doch längst aus Brüssel. 

„Nicht nur die Deutschen, alle unterschätzen das Europäische Parlament. Das hängt damit zusammen, dass es am Anfang nur eine sehr begrenzte Rolle spielte. Es hat sich schrittweise entwickelt, aber das haben nicht genügend Leute mitbekommen.

Ich bin für eine zwar veränderte, aber für eine europäische Integration. Während AfD und das Bündnis Sahra Wagenknecht keine wollen. Sie müssen nur mal das Wahlprogramm lesen, die sind fast identisch. So wenig Europa wie möglich, eher die Kommunen und die Nationalstaaten. Ich habe gestaunt und gedacht, das ist keine Alternative. Weder die soziale Frage noch die ökologische noch die Menschenrechte lassen sich allein national lösen. Da muss man international ran.“


Gregor Florian Gysi

  • geboren am 16. Januar 1948 in Berlin
  •  deutscher Rechtsanwalt, Politiker, Autor und Moderator
  • sitzt seit 1990 mit einer Unterbrechung im Deutschen Bundestag
  • war von 2005 bis 2015 Fraktionsvorsitzender der Linksfraktion

Machen Sie sich keine Sorgen, dass das BSW in den Umfragen zur Europawahl vor den Linken steht? 

„Nur sehr begrenzt. Sie hat einen Aufstieg wie damals auch die Piraten und wird so auch aus mehreren Gründen enden. Auf Dauer funktionieren Ein-Personen-Parteien nicht. Es gibt ja kein anderes Wahlplakat als ihr Foto. Außerdem bietet sie eine Politik-Mischung an. Ein bisschen wie die AfD, ein bisschen wie Ludwig Erhard und Soziales wie die Linke. Sie hofft, dass sich die Stimmen damit addieren. Nach meiner Erfahrung funktioniert es immer am Anfang, aber nicht auf Dauer. Ich nehme an, dass sie anfangs Erfolge haben wird. Ich glaube aber nicht, dass sie in den nächsten Bundestag einzieht.“

Krieg oder Frieden?

Trotz Listenplatz 28 bewirbt sich Wagenknecht selbst auf den Plakaten zur Europawahl. Das scheint doch durchaus eine spezielle Art von Eitelkeit zu sein.

„Erstens ist es ein bisschen Täuschung. Aber zweitens, ich bin auch eitel. Aber so eitel, dass ich eine Partei nach mir benannt hätte, bin ich dann doch nicht.“


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‚Krieg oder Frieden‘ ist ein Motto des Bündnis Sahra Wagenknecht. Aber auch die Linke wünscht sich eine EU, die zum Frieden verpflichtet ist. Kann man ‚Frieden‘ überhaupt wählen?

„Das Schwierige besteht darin, dass man nie so tun darf, als ob man alleine in der Lage wäre, Frieden herzustellen. Ich bin für einen Waffenstillstand, sowohl zwischen Russland und der Ukraine als auch im Gazastreifen. Natürlich hat die Ukraine ein Selbstverteidigungsrecht, doch militärisch ist das Donbass-Gebiet nicht zurückzuholen. Dann muss man nicht weitere 20 Jahre Krieg führen, sondern muss versuchen, das Gebiet in Friedensverhandlungen zu erreichen. Dazu braucht man allerdings Vermittler, auf die Russland angewiesen ist – und das ist nicht so leicht. Russland ist nur noch auf die chinesische und die indische Regierung angewiesen.“