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Berlin: Ehemaliger DDR-Bürger einst von Vater verstoßen – der Grund ist unfassbar „Nicht mehr mein Sohn“

Michael Bradler saß im Stasi-Gefängnis in Berlin-Hohenschönhausen. Einmal besuchte ihn sein Vater, doch das Treffen wurde zum Alptraum.

Berlin Hohenschönhausen Michael Bradler
© Chaleen Goehrke/ BERLIN LIVE

Berlin: Unfassbar, was hinter diesen Mauern geschah

Am 13. August 1961 riegelte die DDR die Grenze zu West-Berlin ab. Die darauffolgenden 28 Jahre war Deutschland geteilt und Familien wurden zerrissen. Wer illegal über die Grenze wollte, drohte erschossen zu werden. Andere landeten im Gefängnis.

Dazu zählt auch Michael Bradler. Der 62-Jährige saß 1982 mehrere Monate im ehemaligen Stasi-Gefängnis in Berlin-Hohenschönhausen, weil er Kontakte in den Osten hatte und ausreisen wollte. In der Zeit habe die Stasi alles versucht, um seinen Willen zu brechen – doch nichts sei so schlimm gewesen, wie eine Begegnung mit seinem Vater.

Berlin: Psycho-Spielchen im Knast

Als der 20-jährige Bradler am Abend des 11. Januar 1982 bei der Grenzübergangsstelle Sonnenallee vor den Grenzposten steht und ihnen mitteilt, dass er in den Westen zu seinen Großeltern will, wird er festgenommen. Zehn Monate verbringt er daraufhin in Haft, den größten Teil in der heutigen Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen.

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In einer fünf Quadratmeter großen Zelle muss er hocken, ohne Licht und soziale Kontakte. Stasi-Mitarbeiter führen in der Nacht stundenlange Verhöre und rauben ihm den letzten Schlaf, doch seinen Willen in die Bundesrepublik zu reisen, können sie nicht brechen. Schließlich greifen sie zu anderen Mitteln.

Berlin-Hohenschönhausen Michael Bradler
Michael Bradler führt heute Touristen durch die Gedenkstätte in Hohenschönhausen.

„Sie haben meine Person sowie mein näheres Umfeld wie Nachbarn, Freunde und enger Familienkreis analysiert. Das haben sie gemacht, um herauszufinden, wer mich davon überzeugen könnte, dass ich in der DDR bleibe. Da kommt man recht einfach auf meinen Vater“, berichtet Bradler im Interview mit BERLIN LIVE.  Die Mutter von Michael Bradler war zu dem Zeitpunkt bereits verstorben und der Vater war ein gerngesehener DDR-Patriot. „Er war ein ziemlich hoher Funktionär in der DDR. Über Monate lang haben sie die Familie mir gegenüber schlecht gemacht. Alle hätten mich belogen, betrogen und hintergangen bis auf meinen Vater.

Verdorbener Sohn – Vater stellt eiskaltes Ultimatum

Ein ebensolcher „DDR-Patriot“ sollte auch aus Michael Bradler werden. Schließlich erlebte er in seiner Kindheit nur die Vorzüge eines DDR-Bürgers. Doch ein guter Freund im Westen sowie der Umzug seiner Großeltern auf die andere Mauerseite lassen den damals Jugendlichen am System zweifeln. Dabei habe sein Vater alles unternommen, um ihn an den Osten zu binden. „Nach den sieben abgelehnten Ausreiseanträgen befürchtete ich, dass sie mich zur Armee einziehen. Später habe ich in meiner Akte gelesen, dass mein Vater sogar da angerufen und den Antrag gestellt hat.“

Ausreisewillige junge Männer in die Nationale Volksarmee einzuziehen, war eine übliche Vorgehensweise. Denn hatten sie die Uniform einmal übergestreift, waren sie an Militärstrafrecht gebunden und eine illegale Ausreise wäre damit einer Desertation gleichgekommen. Bei einem geheimen Treffen außerhalb von Hohenschönhausen sollte Rudolf Bradler seinen Sohn in den Augen der Stasi endlich zur Vernunft bringen.

In einem kleinen Raum wurden sie an einen Tisch gegenüber voneinander gesetzt. Der ehemalige Häftling erinnert sich noch gut an die Begegnung. „Mir wurde nur gesagt, dass ich Besuch bekommen würde. Mein Vater brachte eine Tüte mit Apfelsinen mit, was es nicht immer gab. Er sagte, die sei von den Nachbarn. Dann kam er auch schon ziemlich schnell zum Punkt. Das letzte, was ich hörte, war: ‚Entweder ziehst du deine Ausreiseanträge zurück oder du bist nicht mehr mein Sohn.‘ Danach habe ich auch nie wieder mit meinem Vater geredet.“

Es gibt nur ein Ziel: die Bundesrepublik

Doch trotz dieses knallharten Ultimatums hielt Bradler schweren Herzens an seinem Plan fest. „Das war das einzige Mal, dass ich heulend in den 10 Monaten rausgegangen bin. Ich habe ja an ihm gehangen. Es war ein schwerer Entschluss und sehr hart, diese Worte zu hören. Es blieb mir letztendlich aber nichts anderes übrig. Denn nur so konnte ich mit meinen Großeltern in Kontakt bleiben.“


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1982 wurde Bradler als „Landesverräterischer Agent“ zu einem Jahr und vier Monaten verurteilt. Die Bundesrepublik kaufte ihn einige Monate später frei. Danach durfte er keinen Fuß mehr auf DDR-Boden setzen. Nur drei Jahre später verstarb der Vater. „Ich hätte eine Sache gerne nochmal mit ihm besprochen. Meine damalige Frau hat ihn mal besucht, er hat dann gleich gesagt, dass er das Gespräch melden muss. Sobald man Westkontakt hatte, musste man das melden. Als ich freigekauft worden bin, hätte ich ihm gerne mal erzählt, wie mit Menschen umgegangen wird, die nur Verwandte sehen wollen. Ich weiß nicht, wie er darauf reagiert hätte“, überlegt Bradler.