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Berliner Wohnungsprojekt für Obdachlose: Behörden sorgen für Probleme

Das Projekt Housing First will Obdachlose bei der Wohnungssuche unterstützen, doch die Behörden sorgen für Komplikationen.

Berlin
© IMAGO/photothek

Das ist die Berliner Kältehilfe

Gerade im Winter sind Obdachlose durch die eisige Kälte besonders gefährdet. Die Berliner Kältehilfe ist für Betroffene da, um sie vor Schlimmerem zu bewahren.

Wenn das Leben einmal aus den Fugen gerät, man etwa Wohnung und Job verliert, dann ist es ziemlich schwierig, wieder auf die Beine zu kommen. Besonders in Berlin.

Sozialämter sind völlig überlastet, auf einen Wohngeldbescheid wartet man oft Monate und überhaupt erst eine Bleibe zu finden, ist bei dem aktuellen Wohnungsmarkt teilweise schier aussichtslos. Ähnliche Erfahrungen machen auch die Träger des Wohnungslosenprojekts Housing Firsts.

Berliner Behörden arbeiten „schleppend“

Das Projekt vom Verein „Neue Chance“ vermittelt seit 2018 Wohnungen an Obdachlose. Inzwischen haben sich insgesamt sechs Organisationen angeschlossen. Damit die Menschen, die den Halt verloren haben, dort unterstützt werden, müssen sie einige Voraussetzungen erfüllen. Darunter fällt zum Beispiel, mögliche Schulden oder ihre Sucht in den Griff zu bekommen. Daran scheiterten viele. Doch selbst auf diejenigen, die das schaffen, wartet ein langer Weg.


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„Diverse Behörden arbeiten hin und wieder mehr als schleppend. Es dauert oft lange, bis die Kostenübernahme vom Jobcenter für die jeweiligen Mietverträge kommt“, sagt Sebastian Böwe von Housing First Berlin. Doch damit noch nicht genug. Auch auf den Wohnberechtigungsschein (WBS) müssen Obdachlose oft lange warten. Böwe berichtet, er musste „in jüngster Vergangenheit sogar zweimal eine Bürgermeisterin einschalten, um WBS und Kostenübernahme der Miete zu bekommen.“

Drastische Folgen durch zu lange Bearbeitungszeiten

Über Wartezeiten auf einen WBS von bis zu drei Monaten berichtet auch Christian Thomes, Geschäftsführer der ZIK gGmbH, die HIV-infizierte sowie von AIDS und anderen chronischen Erkrankungen betroffene Menschen in Berlin mit einem Zuhause versorgt.

Die langsame Bearbeitung der Anträge kann für die Betroffenen mitunter dramatische Folgen haben. Stefan Strauß, Sprecher der Sozialverwaltung, erklärt: „Verzögerungen beim Anmieten von Wohnungen bergen das Risiko, dass der Wohnraum am Ende nicht angemietet werden kann. Das ist natürlich sehr ärgerlich.“

Sozial-Staatssekretär schaltet sich ein

Allerdings konzentrieren sich die Störungen lediglich auf Einzelfälle. Die Berliner Jobcenter weisen die Kritik dennoch von sich. Der Sprecher Jens Krüger hält sie für „zu pauschal.“ Die Bearbeitung von Wohnungsangeboten erfolge mit sehr hoher Priorität. Dies ermögliche überwiegend eine Entscheidung noch am gleichen Tag, wenn alle notwendigen Unterlagen und Angaben vorlägen.

Dennoch hat sich Sozial-Staatssekretär Aziz Bozkurt deswegen bereits mit zwei Schreiben an die Geschäftsführungen aller Berliner Jobcenter gewandt und die problematische Situation angesprochen. Ob diese Wirkung zeigen, bleibt abzuwarten.


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Bei Housing First Berlin konnten 2023 bereits 16 ehemals wohnungslose Menschen Mietverträge unterschreiben. Laut Sozialverwaltung wird das Projekt derzeit über Zuwendungen an Projektträger finanziert. Im Doppelhaushalt 2022/2023 sind für die Projekte insgesamt 6,1 Millionen Euro vorgesehen. Perspektivisches Ziel ist demnach die Überführung von Housing First in das Regelsystem. Die Vermittlung von Wohnungen ist dabei bloß ein erster Schritt. Die Menschen werden auch im Anschluss pädagogisch und psychologisch begleitet. (mit dpa)