Ist die Berliner Polizei rassistisch? Die Frage ist und bleibt ein Dauerthema in Berlin. Nach bestimmten Vorfällen im vergangenen Jahr keine unberechtigte Frage. Im Juli 2023 wurden fünf Beamten der Polizei Berlin vorgeworfen, menschenverachtende Inhalte in einer rechtsextremen WhatsApp-Gruppe geteilt zu haben. Im Zuge der Ermittlungen stieß man im Dezember auf zwei weitere polizeiinterne Gruppenchats. Aus den fünf Verdächtigen wurden mit einem Schlag 62.
Zwar waren die Inhalte dieser zwei weiteren Gruppen nach einer ersten rechtlichen Prüfung nicht „strafrechtlich, aber disziplinar- und dienstrechtlich relevant“, wie es in der dazugehörigen Polizeimeldung heißt. Die EG Zentral des Landeskriminalamtes Berlin übernahm die Ermittlungen. Über den aktuellen Status dieser Ermittlungen konnte ein Pressesprecher am Donnerstag um 17 Uhr gegenüber BERLIN LIVE keine Auskunft geben.
Berlin: Immer wieder Rassismus-Vorwürfe gegen Beamte
Nur zwei Monate später sorgt ein Video in Berlin erneut für Entsetzen. Es zeigt einen Einsatz zweier Polizisten in der Wohnung einer syrischen Familie in Alt-Höhenschönhausen. Das von der Familienmutter eigens gefilmte Video zeigt, wie einer der Polizisten sie und ihre Familie mit den Worten „Das ist mein Land, Du bist hier nur Gast!“ rassistisch beleidigt. Wieder wurde die „EG Zentral“ eingeschaltet und der Fall zur weiteren Prüfung angelegt.
Die „EG Zentral“ wurde am 1. April 2021 mit der Absicht gegründet, alle Vorfälle, bei denen der Verdacht politisch motivierten Fehlverhaltens von Polizeibeamten besteht, zu prüfen. In 2,5 Jahren Einsatz – vom 01. April 2021 bis zum 01. August 2023 – bearbeitete sie etwa 300 Vorfälle. Bei 160 wurden Strafermittlungsverfahren eingeleitet. Nicht bei allen geprüften Sachverhalten handelte es sich jedoch um rassistische Vorwürfe gegen die Polizei Berlin.
Zunächst vorläufige Dienststelle wird zum festen Bestandteil in der Polizei
Die polizeiinterne Ermittlungsgruppe „EG Zentral“ war zunächst als vorläufige Ermittlungsstelle eingerichtet. Nun soll sie fester Bestandteil der Polizei Berlin bleiben und heißt seit dem 01. August „Fachkommissariat für politisch motivierte Dienstvergehen“. Dort wird sie beim Polizeilichen Staatsschutz angebunden.
Doch nicht nur der Name ist neu. Zusätzlich wird die Bearbeitungszuständigkeit der Dienststelle ab sofort auf die Mitarbeitenden aller Senatsverwaltungen und Bezirksämter des Landes Berlin ausgeweitet. Auch soll die Dienststelle mit mehr Ermittlungsbeamten ausgestattet werden.
Neben Rassismus, untersucht das Fachkommissariat auch Vorfälle bei denen Polizeibeamten Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus. Jede Form der politischen Diskriminierung durch Beamte.
Gibt es Rassismus in der Polizei?
Auf Anfrage von BERLIN LIVE teilte die Pressesprecherin Beate Ostertag mit: „Was ja regelmäßig als Vorwurf kommt, für den es aber bislang keinerlei Anhaltspunkte gibt, nämlich dass es Strukturen oder Netzwerke gäbe, die verfassungsfeindlich oder extremistisch sind.“
„Zu den Vorwürfen des Rassismus: Es gab eine Berliner Polizeistudie. Die hat kein ‚racial profiling‘ festgestellt. Das sind Vorwürfe. Es gibt aber sozusagen keine objektivierbaren Hinweise darauf, dass wir damit ein strukturelles Problem haben.“
„Studie liefert eine Reihe von Handlungsempfehlungen“
Besagt Studie wurde 2021 im Auftrag der Senatsverwaltung für Inneres, Digitalisierung und Sport an der TU Berlin durchgeführt. Sie lief von Juni 2021 bis Mai 2022 und untersuchte ausgewählte Dienstbereiche der Polizei Berlin.
Projektleiterin der Studie Christiane Howe von der TU Berlin sagte damals: „Allgemein vorhandene, gesellschaftlich diskriminierende Wissensbestände bestehen – wie in allen anderen gesellschaftlichen Bereichen – naturgemäß auch in polizeilichen Praktiken. Kernfrage der Studie war deshalb, wie man ihnen begegnen kann. Unsere Studie liefert hierfür eine Reihe von Handlungsempfehlungen.“ Als Fazit forderten die Autoren, insbesondere eine Verbesserung der Aus- und Fortbildung.
Präventionsmaßnahmen bei der Polizei Berlin
„Politische Bildung in der Aus- und Fortbildung, Verhaltenstrainings, die beiden Beauftragten, der Präventionsbereich. Das ist ein Riesen-Paket was wir da haben“, so Ostertag zu den Maßnahmen gegen politisch motiviertes Verhalten bei der Polizei in Berlin.
In einem Schreiben teilt die Polizeipressestelle gegenüber BERLIN LIVE zusätzlich mit, wie genau diese Präventionsmaßnahmen aussehen. Neben Schulungen, Seminaren gibt es auch beispielsweise einen Beauftragten für Antisemitismus und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, sowie einer Extremismusbeauftragten bei der Polizei Berlin.
„Gar nicht aus eigener Erfahrung“
Die Polizeisprecherin weist erneut auf die Studie hin, die zudem feststellte, dass in der Zivilgesellschaft zu wenig Wissen darüber vorhanden sei, mit welchen Befugnissen und Pflichten die Polizei ausgestattet sei. „Das ist ein Riesen-Thema, warum es auch immer wieder zu diesen Vorwürfen kommt. Häufig eben unbegründet.“ Menschen, die bei Polizeieinsätzen eingreifen würden, seien ein großes Problem. „Das ist etwas, was uns die Arbeit unfassbar schwer macht.“
Oftmals sprächen Menschen von Polizeigewalt, ohne selbst Kontakt damit gehabt zu haben. Auch das habe die Studie feststellen können. Menschen hätten was gehört oder gelesen. Die Anschuldigungen kämen „gar nicht aus eigener Erfahrung.“
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Abschließend erklärt die Polizei Berlin: „Insgesamt zielt die Polizei Berlin darauf ab, innerbehördlichen extremistischen Tendenzen durch eine Stärkung von Prävention und Repression noch stärker entgegenzutreten.“ Beate Ostertag dazu: „Wir gehen grundsätzlich selbstkritisch damit um, weil wir solches Verhalten nicht dulden! Jeder Sachverhalt wird entsprechend aufgearbeitet. Eine Alternative gibt es da gar nicht für uns.“