Juri Schaffranek hat seine Berufung gefunden: Seit 1988 arbeitet der gebürtige West-Berliner hauptberuflich mit obdachlosen und suchtkranken Menschen auf der Straße. In seiner Vergangenheit war er auch Weggefährte von Christiane Felscherinow, die durch die Geschichte „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ als Christiane F. bekannt wurde.
Seit vielen Jahren ist Schaffranek nun in der Hauptstadt als Streetworker für Gangway e.V. unterwegs. Dabei bekam er so einige Schicksale zu Gesicht. Im Interview mit BERLIN LIVE gewährte Schaffranek emotionale Einblicke.
Brennpunkt Berlin: Streetworker gewährt Einblicke
„Mich kann man eigentlich mit nichts mehr schocken. Ich hab schon so viel erlebt“, gibt Schaffranek offen und ehrlich zu. Einige Ereignisse bleiben dem Rausch-und-Risiko-Balance-Pädagogen besonders in Erinnerung: „Zum Beispiel Menschen mit verwesten Beinen, denen beim Transport ins Krankenhaus die Wunde platzt und einem erstmal Unmengen Eiter entgegen geschossen kommen!“
Das komme bei Personen, die sich längere Zeit auf der Straße aufhalten oder von Substanzen abhängig sind, nicht selten vor. „Oder man muss den Leuten die Klamotten aus der Haut schneiden, weil sie schon so damit verwachsen sind“, erinnert sich Schaffranek.
Brennpunkt Berlin: Diese Eigenschaften sind als Streetworker von Vorteil
„Natürlich ist das alles eklig, aber wenn man eben in der Situation ist, in der man helfen muss, dann macht man das“, stellt der Streetworker klar. Darauf verzichten – wenn er die Wahl hätte – könnte Schaffranek aber genauso gerne. Doch nicht nur eine hohe Belastbarkeit ist von Vorteil – der Job auf der Straße verlangt noch viel mehr von einem ab.
„Unabhängig davon, mit welcher Gruppe von Menschen man arbeitet, braucht man eine absolute Vertrauenswürdigkeit“, sagt der Streetworker. „Man braucht das Bewusstsein, dass die Sachen, die man dort erfährt, nicht weiter erzählt werden dürfen.“ Aber auch Geduld und eine gewisse Frustrationstoleranz seien von Vorteil.
Brennpunkt Berlin: „Man hat oft ein enges Verhältnis“
„Man hat oft ein ganz enges Verhältnis zu jemandem und auf einmal ist da ein Beziehungsabbruch“, sagt Schaffranek. Das sei aber völlig normal und nicht mit einem geregelten Ablauf, wie man ihn vielleicht aus seinem eigenen Leben kennt, vergleichbar.
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Bei Schaffraneks Arbeit mit Menschen auf der Straße verlief aber auch in der Vergangenheit nicht immer alles harmonisch. „Es gab schon öfter Drohungen, dass jemand sagt ‚Verpiss dich!‘ oder ‚Lass mich in Ruhe‘ – damit muss man umgehen können“, erläutert der Streetworker. Eine gefestigte Persönlichkeit sowie eine gewisse Menschenkenntnis würden also zudem nicht schaden.
Brennpunkt Berlin: Streetworker teilt Ratschläge
In erster Linie möchte Schaffranek seine Hilfe den betroffenen Personen aber nicht aufzwängen. „Ich bin nicht so jemand der sagt, ich übernehme jetzt mal dein Leben – mein Motto ist eher Hilfe zur Selbsthilfe“, erklärt er. So gebe er den Menschen ein paar Ratschläge, Anlaufstellen und Co. an die Hand. Was sie anschließend daraus machen, bleibe aber jedem selbst überlassen.